(1) Gesundheit am Arbeitsplatz
Es wird eine Intervention durchgeführt zur Förderung der subjektiven Gesundheit am Arbeitsplatz eines großen französischen Unternehmens.
Die Evaluation ergibt, dass sich nach der Intervention die Hälfte der Arbeitnehmer_innen gesünder fühlen und 1/6 der Arbeitnehmer_innen weniger gesund fühlen. Beim Rest der Arbeitnehmer_innen veränderte sich die subjektive Gesundheit nicht durch die Intervention.
(a) Bestimme eine Zufallsvariable, die die Veränderung der subjektiven Gesundheit auf geeignete Zahlen abbildet.
Eine Zufallsvariable \(X\) ist eine Funktion, die den Ergebnissen (Elementarereignissen) eines Zufallsexperiments (zusammengefasst in der Menge \(\Omega\)), Zahlen zuordnet.
In unsrem Fall soll die Zufallsvariable die subjektive Gesundheit der Mitarbeiter_innen nach der Intervention in Zahlen abbilden.
Es gibt in dieser Hinsicht drei Gruppen der Arbeitnehmer_innen:
Somit können wir die Zufallsvariable z.B. folgendermaßen definieren:
Man kann dafür auch ganz andere Zahlen nutzen, z.B. 1, 2, 3 oder -5, 0, 5. Das Entscheidende ist, dass die Zufallsvariable eindeutig den Ergebnissen des Zufallsexperiments “Ergebnis der Intervention” Zahlen zuordnet. Wir müssen klar unterscheiden können, welchem Ergebnis welche Zahl zugeordnet ist.
Wir sollten bei der Erstellung einer Zufallsvariable und Zuteilung von Zahlen zu den Ergebnissen eines Zufallsexperiments beachten, dass man immer das Skalenniveau beibehalten sollte, welches die Werte haben. In dem Fall von Martins Unternehmen haben wir es mindestens mit einer Ordinalskala zu tun und sollen deswegen die Rangfolge beibehalten. D.h. wir sollen größere Zahlen den “besseren” Ausprägungen der Zufallsvariable zuweisen.
Da wir später jedoch Differenzen berechnen wollen (Erwartungswert und Varianz), ist sogar Intervallskalenniveau notwendig. Auf diskrete Zufallsvariablen angewendet, müssten wir dafür bei der Erstellung einer Zufallsvariable die Abstände gleich groß wählen und die Annahme treffen, dass:
(b) Handelt es sich um eine diskrete oder stetige Zufallsvariable?
Es handelt sich um eine diskrete Zufallsvariable, da die Anzahl der Ergebnisse eine endliche Menge ist. D.h. wir können die Ergebnisse des Zufallsexperiments zählen: Es gibt nur drei mögliche Ausgänge.
(c) Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Martin, der in dem Unternehmen arbeitet, besser fühlt?
Hier schauen wir uns zuerst an, wie die Evaluation der Intervention ausgefallen ist:
Die Wahrscheinlichkeit, dass Martin sich besser fühlt, ergibt sich aus dem Anteil der sich besser fühlenden Mitarbeiter an der Menge aller Mitarbeiter_innen. Jede_r zweite Mitarbeiter_in fühlt sich besser, also \[P(x_{Martin}=1)= \frac{1}{2}=0.5=50\%\] Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Martin nach der Intervention besser fühlt, beträgt 50%.
Beachte: wir schreiben in diesem Fall \(x\) klein, weil wir damit eine bestimmte Realisierung der Zufallsvariable meinen und nicht die (theoretische) Zufallsvariable \(X\) selbst. Die Schreibweise \(P(x_{Martin}=1)\) drückt mathematisch die Wahrscheinlichkeit aus, dass Martin sich nach der Intervention besser fühlen wird (Realisierung 1 der Zufallsvariable).
(d) Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Martin, der in dem Unternehmen arbeitet, zumindest nicht schlechter fühlt?
Hier brauchen wir die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Martin sich nach der Intervention entweder besser oder gleich fühlt. Das ist die Gegenwahrscheinlichkeit dazu, dass Martin sich schlechter fühlt.
\(\begin{aligned} P(x_{Martin} \geq0) &= P(x_{Martin}=0)+P(x_{Martin}=1)\\ &= 1-P(x_{Martin}=-1) \\ & = 1-\frac{1}{6}=\frac{5}{6} = .833 \end{aligned}\)
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Martin nach der Intervention zumindest nicht schlechter fühlt, beträgt 83.3%.
(e) Welchen Veränderungswert in der subjektiven Gesundheit würde man bei einem_r beliebigen Arbeitnehmer_in erwarten?
\[E(X)=\mu= \sum_{i=1}^N x_i\cdot P(x_i)\]
D.h. wir sollen jede Ausprägung \(x_i\) der Zufallsvariable \(X\) mit der Wahrscheinlichkeit \(P(x_i)\) der jeweiligen Ausprägung multiplizieren und dann diese Produkte zusammenaddieren.
Dafür brauchen wir zuerst die Wahrscheinlichkeiten der drei möglichen Ausprägungen der Zufallsvariable:
Jetzt berechnen wir den Erwartungswert:
\(\begin{aligned} E(X)=\mu &= \sum_{i=1}^3 x_i\cdot P(x_i)= x_1\cdot P(x_1)+x_2\cdot P(x_2)+x_3\cdot P(x_3)\\ & = 1 \cdot \frac{1}{2}+0\cdot \frac{1}{3}+ (-1)\cdot \frac{1}{6}=\frac{1}{3} \end{aligned}\)
(f) Wie sehr streut die Veränderung im Unternehmen?
\(\begin{aligned} Var(X)=\sigma^2 &= \sum_{i=1}^N (x_i-\mu)^2\cdot P(x_i)\\ &= (1-\frac{1}{3})^2\cdot \frac{1}{2} + (0-\frac{1}{3})^2\cdot \frac{1}{3}+(-1-\frac{1}{3})^2\cdot \frac{1}{6}\\ &= (\frac{2}{3})^2\cdot \frac{1}{2}+(-\frac{1}{3})^2\cdot \frac{1}{3}+ (-\frac{4}{3})^2\cdot \frac{1}{6}\\ &= \frac{4}{9} \cdot \frac{1}{2}+\frac{1}{9} \cdot \frac{1}{3}+\frac{16}{9} \cdot \frac{1}{6}\\ &= \frac{4}{18}+\frac{1}{27}+\frac{16}{54}=\frac{30}{54}=\frac{5}{9} \approx 0.556 \end{aligned}\)
(g) Ist die Intervention empfehlenswert?
Auf diese Frage gibt es keine eindeutige richtige Antwort. Es ist viel wichtiger, dass man eigene Entscheidung gut begründen kann (d.h. dass sie wohl durchdacht ist). Man sollte immer darauf achten, welche Veränderungen erzielt werden sollen, aber auch können. Es ist auch nicht nur wichtig festzustellen, ob eine Intervention überhaupt Veränderungen verursacht, sondern auch, ob sie effizient ist (z.B. ob die Wirkung stark genug ist oder den Aufwand wert ist). Die Wirksamkeit der Intervention können wir deskriptiv daran erkennen, wie die Parameter der Wahrscheinlichkeitsverteilung sind.
Also, man kann daraus schlussfolgern, dass die Intervention nicht besonders empfehlenswert ist, obwohl sie tatsächlich Veränderungen in die erwünschte Richtung erzielt. Sollte die Intervention jedoch sehr preiswert und einfach umsetzbar sein, könnte es sich trotzdem lohnen, sie anzuwenden. So hängt die Beantwortung der Fragestellung vom Kontext ab. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass es einigen Mitarbeiter_innen durch die Intervention schlechter geht: man muss sich also überlegen, ob eine Intervention mit Verschlechterungsrisiko gerechtfertigt und ethisch vertretbar ist.
(2) Würfeln
Es werden zwei Würfel gleichzeitig geworfen.
(a) Bestimme die Wahrscheinlichkeit der Ereignisse A und B.
A: Die Augensumme ist mindestens 10.
B: Die Augensumme ist größer als 4 und höchstens 7.
A: Die Augensumme ist mindestens 10.
Zuerst bestimmen wir die Anzahl möglicher Ereignisse. Der Würfel hat 6 Seiten und wird zweimal geworfen, also \(6^2=36\) Ereignisse sind möglich.
Jetzt definieren wir das Ereignis \(A\). Darin enthalten sind alle Würfelwürfe, deren Augensumme mindestens 10 ist. D.h. damit sind alle Ausgänge des Zufallsexperiments gemeint, bei denen die Augensumme 10 (die Kombinationen (4,6), (6,4), (5,5)), 11 (die Kombinationen (5,6), (6,5)) und 12 (die Kombination (6,6)) ist.
\(A=\{(4,6), (6,4), (5,5), (5,6), (6,5), (6,6)\}\)
Jetzt können wir die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses \(A\) berechnen:
\[P(A)=P(10)+P(11)+P(12)=\frac{3}{36}+\frac{2}{36}+\frac{1}{36}=\frac{6}{36}=\frac{1}{6} \approx .167\]
B: Die Augensumme ist größer als 4 und höchstens 7.
Die Anzahl der möglichen Ereignisse bleibt unverändert und beträgt 36.
Wir sollen das Ereignis \(B\) definieren. Darin enthalten sind alle Ergebnisse des zweimaligen Würfelwurfs, die eine Augensumme von 5 (die Kombinationen (1,4), (2,3), (3,2), (4,1)), 6 (die Kombinationen (1,5), (2,4), (3,3), (4,2), (5,1)) und 7 (die Kombinationen (1,6), (2,5), (3,4), (4,3), (5,2), (6,1)) ergeben. Die 4 ist nicht enthalten, da die Augensumme größer als 4 sein muss. Die 7 ist enthalten, da die Augensumme höchstens 7 sein soll, d.h. die 7 ist die letzte inkludierte Zahl.
\(\begin{aligned} B= & \{(1,4), (1,5), (1,6), (2,3), (2,4), (2,5), (3,2), (3,3), (3,4), (4,1), (4,2), \\ & (4,3), (5,1), (5,2), (6,1)\} \end{aligned}\)
Jetzt können wir die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses \(B\) berechnen: \[P(B)= P(5)+P(6)+P(7)= \frac{4}{36}+\frac{5}{36}+\frac{6}{36}=\frac{15}{36}=\frac{5}{12}\approx .417 \]
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Augensumme beim zweimaligen Würfelwurf größer als 4 und höchstens 7 ist, beträgt ca. 41.7%.
(b) Es werden 4 Würfel gleichzeitig geworfen. Bestimme die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses C.
C: Es wird 4-mal die gleiche Zahl geworfen.
Jetzt müssen wir die Anzahl der möglichen Ereignisse neu bestimmen, da jetzt 4 Würfel gleichzeitig geworfen werden. Jeder Würfel hat 6 Seiten. Daraus ergeben sich \(6^4=1296\) mögliche Ereignisse (d.h. Würfelwurfkombinationen).
als Nächstes definieren wir das Ereignis \(C\). Wir müssen dazu alle Ergebnisse des viermaligen Würfelwurfs auflisten, bei denen viermal die gleiche Zahl geworfen wird.
\(C= \{(1,1,1,1), (2,2,2,2), (3,3,3,3), (4,4,4,4), (5,5,5,5), (6,6,6,6)\}\)
Die Wahrscheinlichkeit für jedes einzelne Ergebnis, das darin enthalten ist, beträgt \(\frac{1}{6^4}\). Dann beträgt die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses \(C\): \[P(C)=\frac{1}{6^4}+\frac{1}{6^4}+\frac{1}{6^4}+\frac{1}{6^4}+\frac{1}{6^4}+\frac{1}{6^4}=\frac{6}{6^4}=\frac{1}{1296}\approx .005\]
(3) Urne
In einer Urne sind fünf Kugeln, welche mit den Zahlen 1, 2, 3, 4, 5 beschriftet sind.
Welche der folgenden Aussagen sind wahr?
Für das einmalige Ziehen einer Kugel aus der Urne gilt: Der Erwartungswert der Zufallsvariable beträgt 3.
Für das einmalige Ziehen einer Kugel aus der Urne gilt: Die Standardabweichung der Zufallsvariable beträgt 2.
Für das zweimalige Ziehen einer Kugel aus der Urne mit Zurücklegen gilt: Der Ergebnisraum enthält genau 10 Zahlenpaare.
Für das zweimalige Ziehen einer Kugel aus der Urne mit Zurücklegen gilt: Berechnet man jeweils die Summe der Zahlen auf den zwei gezogenen Kugeln, so beträgt der Erwartungswert dieser Summe genau 6.
Für das einmalige Ziehen einer Kugel aus der Urne gilt: Der Erwartungswert der Zufallsvariable beträgt 3.
RICHTIG.
Die Wahrscheinlichkeit für jede von den fünf Kugeln gezogen zu werden beträgt \(P(\{1\})= P(\{2\})=P(\{3\})=P(\{4\})=P(\{5\})=\frac{1}{5}=.2\).
Jetzt setzen wir diese Wahrscheinlichkeit in die Formel für den Erwartungswert ein und berechnen diesen: \(\begin{aligned} E(X)=\mu &= \sum_{i=1}^5 x_i\cdot P(x_i)\\ &= x_1\cdot P(x_1)+x_2\cdot P(x_2)+x_3\cdot P(x_3)+x_4\cdot P(x_4)+x_5\cdot P(x_5)\\ & = 1 \cdot .2 +2\cdot .2+ 3\cdot .2 + 4\cdot .2 + 5\cdot .2=3 \end{aligned}\)
Für das einmalige Ziehen einer Kugel aus der Urne gilt: Die Standardabweichung der Zufallsvariable beträgt 2.
FALSCH.
Zuerst berechnen wir die Varianz der Zufallsvariable: \(\begin{aligned} \sigma^2 &= \sum_{i=1}^N (x_i-\mu)^2\cdot P(x_i)\\ &= (1-3)^2\cdot .2 + (2-3)^2\cdot .2+(3-3)^2\cdot .2 + (4-3)^2\cdot .2 + (5-3)^2\cdot .2\\ &= 4\cdot .2 + 1\cdot.2 + 0 +1\cdot.2+4\cdot.2\\ &=2 \end{aligned}\)
Für die Standardabweichung müsste noch die Wurzel aus \(2\) gezogen werden: \(\sigma = \sqrt{\sigma^2}=\sqrt{2} \approx 1.414\)
Nun wird je eine Kugel mit der Aufschrift “2” und “5” zusätzlich in die Urne gelegt.
Wie verändern sich Erwartungswert und Standardabweichung für einmaliges Ziehen?
Jetzt haben wir 7 Kugeln in der Urne. Das Ziehen einer Kugel mit einer bestimmten Zahl ist nicht mehr gleich wahrscheinlich:
\(P(\{2\})=P(\{5\})=\frac{2}{7}\)
\(P(\{1\})=P(\{3\})=P(\{4\})=\frac{1}{7}\)
Der Erwartungswert lässt sich, wie folgt, berechnen:
\(\begin{aligned} E(X)=\mu &= \sum_{i=1}^N x_i\cdot P(x_i)\\ & = 1 \cdot \frac{1}{7}+2\cdot \frac{2}{7}+3\cdot \frac{1}{7}+4\cdot \frac{1}{7}+5\cdot \frac{2}{7} \\ &= \frac{22}{7} \approx 3,143 \end{aligned}\)
Der Erwartungswert wird größer im Vergleich zu dem Fall mit fünf gleich wahrscheinlichen Zahlen: \(3,143>3\).
Jetzt berechnen wir die Varianz:
\(\begin{aligned} \sigma^2 &= \sum_{i=1}^N (x_i-\mu)^2\cdot P(x_i)\\ &= (1-\frac{22}{7})^2 \cdot \frac{1}{7} + (2-\frac{22}{7})^2 \cdot \frac{2}{7} + (3-\frac{22}{7})^2 \cdot \frac{1}{7} + (4-\frac{22}{7})^2 \cdot \frac{1}{7} \\ & + (5-\frac{22}{7})^2 \cdot \frac{2}{7} \\ &= \frac{104}{49} \approx 2,122 \end{aligned}\)
Zeichne die zugehörige Verteilungsfunktion!
Jetzt scheiben wir nochmal die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Ergebnisse auf:
\(P(\{2\})=P(\{5\})=\frac{2}{7}\)
\(P(\{1\})=P(\{3\})=P(\{4\})=\frac{1}{7}\)
Für die Verteilungsfunktion brauchen wir die kumulierten Wahrscheinlichkeiten. Das sind die Wahrscheinlichkeiten, höchstens die jeweilige Zahl zu ziehen. Man berechnet die kumulierte Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses, indem man die Wahrscheinlichkeiten für alle Ergebnisse bis einschließlich dieses Ergebnis addiert:
\(P(\{1\})=\frac{1}{7}\)
\(P(\{2\})=\frac{3}{7}\)
\(P(\{3\})=\frac{4}{7}\)
\(P(\{4\})=\frac{5}{7}\)
\(P(\{5\})=\frac{7}{7}=1\)
Diese Zahlen tragen wir auf der \(y\)-Achse unserer Grafik ab. Auf der \(x\)-Achse sind die Zahlen auf den Kugeln abgetragen.
(4) Binomialverteilte Zufallsvariable
Die Zufallsvariable \(X\) ist binomialverteilt mit den Parametern \(n\) und \(\pi\).
Berechne die folgenden Wahrscheinlichkeiten (wenn möglich) mit Hilfe der Tabelle der Binomialverteilung!
(a) 7 Erfolge bei \(n\) = 10 Versuchen mit \(\pi\) = .3.
Wir schauen in der Tabelle der Binomialverteilung nach:
(b) Mindestens 2 Erfolge bei \(n\) = 20 Versuchen mit \(\pi\) = .1.
Hier betrachten wir alle Ausprägungen der binomialverteilten Zufallsvariable, bei denen mindestens 2 Erfolge bei 20 Versuchen eingetreten sind. Wir müssen also die Wahrscheinlichkeiten für jedes passende Ergebnis mit Hilfe der Tabelle bestimmen und aufsummieren. So kommen wir auf die gesuchte Wahrscheinlichkeit.
Jedoch sind das ziemlich viele Ergebnisse, da wir die Fälle mit 2 bis 20 Erfolgen betrachten sollen. Die einzigen Ergebnisse, die nicht darunter fallen, sind die Fälle, bei denen 0 oder 1 Erfolg bei 20 Versuchen erzielt wurden. Also, können wir auch die gesuchte Wahrscheinlichkeit über die Gegenwahrscheinlichkeit bestimmen. Das erfordert viel weniger Aufwand.
\(\begin{aligned} P(x\geq 2)&=P(x=2)+P(x=3)+P(x=4)+...+P(x=19)+P(x=20)\\ &=1 -P(x=0)-P(x=1) \end{aligned}\)
Jetzt können wir die erforderlichen Wahrscheinlichkeiten berechnen. Wir können sie nicht in der Tabelle der Binomialverteilung nachschauen, da unsere Tabelle nur bis \(n=10\) geht. Wir erinnern uns an die folgende Formel:
\[P(x)=\binom{n}{x}\cdot \pi^x \cdot (1-\pi)^{n-x}\]
Anmerkung: \(x\) bezeichnet die Anzahl der Erfolge und entspricht \(k\) in der Tabelle der Binomialverteilung.
Für \(P(x=0)\): Wir setzen die Werte \(n=20\), \(x=0\) und \(\pi=.1\) in die Formel ein:
\(P(x=0)=\binom{20}{0}\cdot.1^0\cdot.9^{20} = 1\cdot 1\cdot .1216= .1216\)
Für \(P(x=1)\): Wir setzen die Werte \(n=20\), \(x=1\) und \(\pi=.1\) in die Formel ein:
\(P(x=1)=\binom{20}{1}\cdot.1^1\cdot.9^{19} = 20\cdot .1\cdot .1351= .2702\)
Jetzt können wir die gesuchte Wahrscheinlichkeit für mindestens 2 Erfolge bei 20 Versuchen bestimmen:
\(P(x\geq 2)= 1- .1216 – .2702 = .6082\)
Diese Wahrscheinlichkeit beträgt ca. 60.8%.
(c) Weniger als 5 Erfolge bei \(n\) = 5 Versuchen mit \(\pi\) = .4.
Hier ist die Wahrscheinlichkeit für 0, 1, 2, 3 oder 4 Erfolge in 5 Versuchen gesucht. Alternativ können wir diese Wahrscheinlichkeit über die Gegenwahrscheinlichkeit ausdrücken:
\(\begin{aligned} P(x\leq 4) = P(x<5) &= P(x=0)+P(x=1)+P(x=2)+P(x=3)+P(x=4)\\ &= 1- P(x=5) \end{aligned}\)
Wir schauen jetzt die Wahrscheinlichkeit für \(P(x=5)\) in der Tabelle der Binomialverteilung nach:
(5) Klavierstunde
Der Psychologiestudent Alexander hat bald seine erste Klavierstunde und hat sich dafür ein Klavier gekauft.
Dieses hat 88 Tasten, davon 52 weiße und 36 schwarze. Gerade drückt er zur Freude seiner Familie mit geschlossenen Augen wahllos darauf herum.
(a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Alexander beim Drücken von einer Taste eine schwarze trifft?
Die Wahrscheinlichkeit beim Drücken von einer Taste eine schwarze zu treffen entspricht der Wahrscheinlichkeit eine schwarze Taste zu drücken und beträgt \(P(schwarz)=\frac{36}{88}\).
Alternativ:
Wir können die Zufallsvariable “gedrückte Taste” als binomialverteilt ansehen. Dabei würden wir als Erfolg das Drücken einer schwarzen Taste festlegen und als Misserfolg - das Drücken einer weißen Taste. Damit können wir die Erfolgswahrscheinlichkeit \(\pi\) bestimmen:
\(\pi = P(schwarz)= \frac{36}{88}\)
Also:\(1-\pi=P(weiß)=\frac{52}{88}\)
Wir können also die Fragestellung folgendermaßen umformulieren: Wie wahrscheinlich ist es, 1 Erfolg bei 1 Versuch zu haben, wenn \(\pi=\frac{36}{88}\) ist?
Diese Wahrscheinlichkeit können wir, wie folgt, berechnen:
\(\begin{aligned} P(x)&=\binom{n}{x}\cdot \pi^x \cdot (1-\pi)^{n-x}\\ &=\binom{1}{1}\cdot \frac{36}{88}^1\cdot \frac{52}{88}^0\\ &= 1\cdot \frac{36}{88}\cdot 1 = \frac{36}{88} \approx .4091 \end{aligned}\)
Wir sehen, dass beide Lösungswege zu demselben Ergebnis führen.
(b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Alexander beim Drücken von 10 Tasten genau 5 weiße und 5 schwarze trifft?
Hier können wir entscheiden, was wir als Erfolg und was als Misserfolg sehen. Wir können z.B. als Erfolg das Drücken einer schwarzen Taste festlegen und als Misserfolg das Drücken einer weißen Taste. Damit bestimmen wir die Erfolgswahrscheinlichkeit \(\pi\), wie in der Aufgabe zuvor:
\(\pi = P(schwarz)= \frac{36}{88}\)
Also:\(1-\pi=P(weiß)=\frac{52}{88}\)
Wir können also die Fragestellung folgendermaßen umformulieren: Wie wahrscheinlich ist es, 5 Erfolge bei 10 Versuchen zu haben, wenn \(\pi=\frac{36}{88}\) ist?
Diese Wahrscheinlichkeit können wir so berechnen:
\(\begin{aligned} P(x)&=\binom{n}{x}\cdot \pi^x \cdot (1-\pi)^{n-x}\\ &=\binom{10}{5}\cdot \frac{36}{88}^5\cdot \frac{52}{88}^5\\ &= \approx .2080 \end{aligned}\)
Wir erhalten dasselbe Ereignis, wenn wir eine weiße Taste als Erfolg festlegen und von \(\pi = \frac{52}{88}\) ausgehen.
(6) Beruhigungsmittel
Eine Forscherin möchte die Wirksamkeit eines neuen Beruhigungsmittels in einer placebo-kontrollierten Studie testen. Dabei wird durch Zufall entschieden, wer das Placebo und wer das richtige Medikament bekommt. Aus logistischen Gründen werden die Versuchspersonen zufällig in zwei gleich lange Schlangen aufgeteilt, um sich aus einer am Ende der jeweiligen Schlange befindlichen Kiste ein Fläschchen ohne Label zu nehmen. Eigentlich sollten in den zwei Kisten gleich viele Medikamente und Placebos sein, damit jede Person die gleiche Chance hat, in eine der Bedingungen zu kommen. In der rechten Schlange hat sich die Studentische Hilfskraft der Forscherin jedoch verzählt, sodass nur 40% der Fläschchen in der Kiste mit Medikament befüllt sind.
(a) Wie wahrscheinlich ist es, dass die erste Person, die einer der Schlangen zugeordnet wird, in die Medikamentenbedingung gelangt?
Tipp: Visualisiert euch das Experiment anhand eines Baumdiagramms!
Uns liegen Informationen über die Aufteilung in die Schlangen und die jeweilige Wahrscheinlichkeit innerhalb der einzelnen Schlangen in die Medikamentenbedingung zu gelangen vor. Bei zweiterem handelt es sich also um bedingte Wahrscheinlichkeiten. Mit diesem Wissen können wir ein Baumdiagramm zeichnen. Mithilfe der Pfadregeln können wir schließlich die Wahrscheinlichkeit der Pfade mit Endzustand in der Medikamentenbedingung berechnen. Dabei handelt es sich um den Satz der totalen Wahrscheinlichkeit.
\(P(Medikament)= .5 \cdot .5+ .5 \cdot .4 = .45\)
Damit beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass eine beliebige Versuchsperson in die Medikament-Bedingung gelangt, 45%.
(b) Handelt es sich hierbei um einen Bernoulli-Prozess? Warum (nicht)?
Nein, es handelt sich hierbei nicht um einen Bernoulli-Prozess. Verschiedene Annahmen werden verletzt:
(c) Was könnte man tun, damit wir es wirklich mit einem Bernoulli-Versuch zu tun haben?
Eure Ideen wurden umgesetzt, sodass wir es jetzt mit einem Bernoulli-Versuch zu tun haben. Die Wahrscheinlichkeit, ein Medikament zu bekommen, beträgt also für jede Person 50%. Eine Gruppe von 10 Freund_innen nimmt an dem Experiment teil.
(d) Wie wahrscheinlich ist es, dass genau drei von ihnen in die Medikamentenbedingung kommen?
Hier sollen wir die Wahrscheinlichkeit bestimmen, genau 3 Erfolge (Einteilung in die Medikament-Bedingung) in 10 Versuchen zu erzielen.
Die Erfolgswahrscheinlichkeit beträgt: \(P(Medikament) = .5\)
Wir setzen diese Zahlen in die Formel der Wahrscheinlichkeitsfunktion der Binomialverteilung ein und bestimmen die gesuchte Wahrscheinlichkeit:
\(\begin{aligned} P(x=3)&=\binom{n}{x}\cdot \pi^x \cdot (1-\pi)^{n-x}\\ P(x=3) = \binom{10}{3}\cdot .5^3\cdot .5^7 = 120 \cdot .0078125 \cdot .125 = .117 \end{aligned}\)
(e) Wie wahrscheinlich ist es, dass mindestens 4 von ihnen in die Medikamentenbedingung kommen?
Hier sollen wir die Wahrscheinlichkeit in 10 Versuchen mindestens 4 Erfolge (Einteilung in die Medikamentenbedingung) zu erzielen.
Die gesuchte Wahrscheinlichkeit setzt sich zusammen aus den Wahrscheinlichkeiten 4, 5, 6, 7, 8, 9 oder 10 Erfolge in 10 Versuchen zu haben. Um Zeit und Aufwand zu sparen, können wir mit der Gegenwahrscheinlichkeit arbeiten:
\(\begin{aligned} P(x \geq 4) &= P(x=4)+P(x=5)+(Px=6)+P(x=7)+P(x=8)+P(x=9)+P(x=10)\\ &=1 – P(x < 4) = 1-(P(x=0)+P(x=1)+P(x=2)+P(x=3))\\ &= 1- (\binom{10}{0}\cdot .5^0\cdot .5^{10}+ \binom{10}{1}\cdot .5^1\cdot .5^9 + \binom{10}{2}\cdot .5^2\cdot .5^8 + \\ &+ \binom{10}{3}\cdot .5^3\cdot .5^7)\\ &= 1-(.00098 + .0098 + .044 + .117) = 1- .1713 = .828 \end{aligned}\)